Hawaii *01

Zwischen Paradiesgarten und Architekten-Paradies – Conrad Roland in Hawaii

Colorierte Ansicht des Viermast-Hauses auf Conrad Rolands Grundstück oberhalb von Kailua-Kona, Holualoa (linke Seite). Vom geplanten Bau zeugen nur die Fundamente und Masten – das Gebäude selbst wurde nie vollendet (rechte Seite).

„‚Rolly, was hast Du gebaut?‘ – ‚Einen Viermast-Super-Seilzirkus, sogar zwei.‘ – ‚Wo steht das Viermast-Haus mit dem Raumnetzdach, bedeckt mit Passionsblumen?‘ – ‚Hm, leider nicht gebaut, es war zu groß für mich und zu teuer und zu kühl dort oben in Holualoa 300 m über dem Meer.' ‚Warum hast Du nicht das Spiral-Hochhaus gebaut? Man hätte Dir dafür den Pritzker-Preis gegeben. Sorry, Du musst leider in die Architektenhölle, da ist es schön warm für Dich und Du musst als Raumnetz-Spinne für den ‚Teufel der Mittelmäßigen Architekten‘ Fliegen fangen …‘“ 1 

Mit einem fiktiven Dialog vor dem Jüngsten Gericht zog Conrad Roland im März 2020, wenige Monate vor seinem Tod, Bilanz, um seinen Einzug ins „(Architekten-)Paradies“ 2 vorzubereiten. Er lebte inzwischen zurückgezogen in Hawaii und rechnete in diesem selbstironischen Zwiegespräch nicht nur mit seinem eigenen Werk, sondern auch mit den Konventionen und Wertmaßstäben seines Berufsstands ab. Lakonisch blickte er zurück: Was konnte er realisieren? Was blieb Vision? Und was macht Architektur eigentlich aus?

Neubeginn auf Big Island - Bereits 1969 hatte ihn eine Vortragsreise nach Hawaii geführt. Was er dort erlebte, beschrieb er später als die Entdeckung einer „neuen Welt“, voller „Farben- und Formenpracht und Sinnlichkeit“ 3. Diese Faszination sollte ihn nicht mehr loslassen. 1987, zwei Jahre nach dem Verkauf seiner Firma, zog Roland nach Big Island. Er hatte den Plan, sich dort das besagte Viermast-Haus mit dem Raumnetzdach, das mit Passionsblumen bedeckt war, 4 zu errichten. Realisiert wurde der Bau nicht, doch war der Entwurf die logische Fortsetzung seiner Entwicklung von den utopischen Hängestadtvisionen über die Spielkletternetze hin zum eigenen Wohnhaus.

Nach zwei Jahren als Macadamia-Farmer verließ Roland seine Wahlheimat zunächst wieder – enttäuscht von den politischen und sozialen Zuständen Amerikas. Seine nächste Station: Tahiti. Auch dort träumte er von einem Viermast-Haus am Meer. Auch dort plante und entwarf er. Und auch dort: keine Realisierung.

Mit zwei Containern voller Bücher, Zeichnungen und Mies-Möbeln sowie seinem Pick-up kehrte er schließlich nach Hawaii zurück.

Landschaft als Lebensentwurf - 1992 griff Roland sein Vorhaben eines Viermast-Hauses auf einem Grundstück oberhalb von Kailua-Kona (Holualoa) erneut auf – diesmal größer angelegt und mit einer umfassenden Freiraumplanung. Bei der Gestaltung des 20.000 Quadratmeter großen Areals verband er landschaftsarchitektonisches Entwerfen mit praktischer Gartenarbeit. Er pflanzte Zitrusbäume, Bananen, Mangos, Palmen und tropische Blühpflanzen und versuchte, ein funktionierendes Ökosystem zu schaffen – einen „Paradiesgarten“, wie er ihn nannte. In seinem langen Brief an Frei Otto schreibt er 1995:

„Seit genau einem Jahr bin ich am Bepflanzen des ursprünglich fast nackten Grundstücks, Tag für Tag: 80 Pampelmusen-Bäume, Hunderte von Bananen […] und besonders viele einheimische, ‚endemic‘, hawaiianische Pflanzen … Manchmal war ich wahrhaft am Verzweifeln, das tropische Unkraut wollte mich erwürgen, trotz Dürre. Jetzt ist endlich die Regenzeit gekommen nach fast sechzehnmonatiger Dürre und alles wächst prächtig und der Gärtner ist glücklich.“ 5 

Das Gebäude wurde zwar erneut bis ins Detail geplant und die Fundamente wurden gesetzt, aber aus gesundheitlichen und finanziellen Gründen wurde es letztlich doch nicht realisiert.  

Zwischen Architektur, Naturwissenschaft - Mit der Zeit verlagerte sich Rolands Interesse zunehmend auf naturwissenschaftliche Themen. Er las regelmäßig Fachzeitschriften wie Nature und Science, beschäftigte sich mit Molekularbiologie und Astronomie und entwickelte ein Nahrungsergänzungsmittel zur Hautpflege. Unter dem Namen Solvita ließ er es in mehreren Ländern als „dietary supplement“ registriert. Ziel war eine pflanzenbasierte Formel, die Sonnenschäden vorbeugen und verschiedene Alterserscheinungen mindern sollte. Auch hierbei verband Roland naturbezogene Beobachtung mit gestalterischem Anspruch: Die Verpackung, das Logo und die Werbematerialien entwarf er selbst. Seine „goldene Formel“ nannte er PhytoGold.

Gezeichnet vom Alter, zog sich Roland zunehmend aus dem aktiven Gestalten zurück. Mit dem Verkauf seines Grundstücks in Holualoa gab er auch den Traum vom eigenen Viermast-Haus auf. Bis zuletzt beschäftigte ihn vor allem, seinen Nachlass in guten Händen und für die Forschung zugänglich zu wissen.

Conrad Roland starb am 25. September 2020 in Keauhou, Hawaii.

Nachklang - Rolands Zeit in Hawaii war geprägt von Experimenten, Brüchen, nicht realisierten Entwürfen und Enttäuschungen – zugleich aber auch vom Versuch, die Logik seiner Konstruktionen in Natur und Landschaft fortzuführen. In seinem Spätwerk oszillierte er zwischen Rückzug und Vision, zwischen genauer Naturbeobachtung und architektonischem Entwerfen. Für ihn waren Natur, Architektur und Gestaltung untrennbar verbunden. Der Paradiesgarten wurde so nicht bloß zu einem Rückzugsort, sondern zu einem Denkraum – Ausdruck eines Architekturverständnisses, das stets über das Bauen hinausreichte.

„Die Landschaftsgärtnerei ist bzw. kann eine hohe Kunst sein, eine lebendige Kunst, es macht mir jetzt wirklich großen Spaß. Mutter Natur hat mich völlig umschlungen, ich bin täglich von Neuem fasziniert von dem Reichtum der Gestalten, Formen, Farben und Variationen – und von den ‚Eigenarten‘ vieler Pflanzen. Wenn uns dies eines Tages in der Architektur gelänge … Ich weiß, ein alter Traum von Frei Otto!“ 6

Auf die Frage „Was hast Du gebaut?“ fällt die Antwort nüchtern aus: innovative Raumnetzstrukturen im Maßstab von Spielplätzen – für die klassische Architekturwertung vielleicht nebensächlich. Doch in seinem Garten fand Roland ein anderes Medium seines Gestaltens: keine Abkehr von der Architektur, sondern deren Fortsetzung mit anderen Mitteln.

M.G. 15.09.2025

1 Conrad Roland in einer E-Mail vom 28.03.2020.
2 Ebd.
3 Conrad Roland in einem Brief an Frei Otto vom 31.05.1995.
4 E-Mail (2020).
5 Ebd.
6 Conrad Roland in einem Brief an Frei Otto vom 31.05.1995.

Um seine Nahrungsergänzungsmittel zu bewerben, experimentierte Conrad Roland mit verschiedenen Markenbezeichnungen sowie Farb- und Schriftvarianten.